Post ans LfU – Die Antwort (Da wir nur einzeln Widerspruch einlegen durften, ist das immer nur der Brief eines Bürgers. Das hat – mieses – System und es wäre Zeit, daran etwas zu ändern und den Bürgern auch als solidarischer (und stärkerer) Gruppe Rechte einzuräumen!)
Nun der Antwortbrief:
Frau Wolter – Landesamt für UmweltBetr.: Widerspruchsbescheid (AZ S4-0447/40+209)
Golzow, den 17.06.2021
Sehr geehrte Frau Wolter,
vielen Dank für die Übersendung der Bescheidung meines Widerspruchs vom 18.10.2019 gegen Ihren Bescheid zur Genehmigung der Hähnchenmastanlage in 15328 Golzow.
Zunächst möchte ich Ihnen mein Mitgefühl dafür ausdrücken, dass Sie diese Aufgabe erledigen müssen. Aber dennoch habe ich dazu Anmerkungen:
Selbstredend bin ich mit der Rücknahme Ihres Bescheides vom 27.8.2019 einverstanden. Es waren ja erhebliche Aufwendungen unsererseits erforderlich, Sie „nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage“ dahin zu bringen, zu erkennen, „dass der Genehmigungsbescheid 30.004.00/18/7.1.3.1.EG/T13 vom 27.08.2019 rechtswidrig ist“.
Zu diesem „Umdenken“ ist Ihre Behörde leider nicht selbständig gelangt, sondern es war notwendig, vor dem VG FF/O und dann vor dem OVG BB einen Baustopp gegen Ihre Anordnung des „sofortigen Vollzugs“ gerichtlich durchzusetzen. Beide Gerichte haben sich allerdings nur mit einem wesentlichen Aspekt unserer Widersprüche beschäftigt (es ging ja „nur“ um einen Baustopp) und sind dennoch zu einem eindeutigen Bescheid gekommen. Soweit diese Argumentation der Gerichte reicht, soweit reicht Ihre „Einsicht“. Anders gesagt, alle anderen Einwendungen ist Ihre Behörde offensichtlich auch weiterhin geneigt abzuschmettern. Da es nicht ausgeschlossen ist, dass die Bemühungen des Investors um so eine hochprofitable Anlage zu einem neuen Verfahren führen wird und diesmal Sie den „Verfahrensfehler“ UVP umschiffen, macht es Sinn, sich mit einigen Ihrer Ausführungen noch einmal zu befassen.
(Natürlich halte ich auch an den anderen Punkten fest, aber nicht alle haben Sie erwähnt – Sie werden Ihre Gründe haben.)
Zu 3.1 Berücksichtigung einer „bestandsgeschützten“ Milchviehanlage
Sowohl Antragsunterlagen, Verfahren, Vorprüfung zur UVP als auch Bescheid waren von der Argumentation durchzogen, dass es „im Vergleich zur (geschwindelten – P. T.) Ist-Situation“ eine signifikante Verbesserung am Standort durch die „Umnutzung“ geben würde. Dazu ein ausführliches Zitat aus der von Ihnen akzeptierten und genutzten Begründung der Unterlassung einer UVP:
Im Rahmen des Antrags auf Genehmigung gemäß § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz wurde in der „SPA- / FFH-Verträglichkeitsvoruntersuchung für die Umnutzung einer Rinderhaltungsanlage in eine Hähnchenmastanlage am Standort 15328 Golzow (vgl. Anhang 14.3 der Antragsunterlagen) eine signifikante Verbesserung der Ammoniakimmissionssituation an den beurteilungsrelevanten Immissionsorten (anlagennächste FFH-Lebensraumtypen) im PLAN-Zustand im Vergleich zum IST-Zustand festgestellt (Saldierung).
Ausweislich des zugrunde liegenden Gutachtens der Ammoniakimmissionen und Stickstoffdepositionen im Umfeld der geplanten Hähnchenmastanlage4 (vgl. auch Anhang 4.4 des Antrags auf Genehmigung gemäß § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz) tritt im geplanten Anlagenzustand gegenüber dem momentanen lst-Zustand eine signifikante Verbesserung der lmmissionssituation von deutlich mehr als 25 % ein (siehe S. 47). Betrachtet man allein die Minderung des mittleren Ammoniakemissionsmassenstroms so verringert sich dieser im momentanen Ist-Zustand von 9.554,1 kg/a auf lediglich nunmehr 3.516,3 kg/a im geplanten Anlagenzustand, was für sich bereits eine Minderung von über 63 % bedeutet (siehe dazu S. 15 und S. 18 des vorgenannten Gutachtens, dort jeweils Tabelle 4 und Tabelle 5). lnsgesamt handelt es sich um eine deutliche Verbesserung der lmmissionslage.Eine erhebliche Beein-
trächtigung des FFH-Gebiets kann damit ausgeschlossen werden. Die Rinderhaltungsanlage in Golzow wurde bereits vor Unterschutzstellung des angrenzenden FFH-Gebiets „Oder-Neiße Ergänzung“ genehmigt und betrieben. Gemäß der FFH-Richtlinie (FFH-RL; ABI. L 206 vom 22.7.1992, S. 7) begründen die Änderungen einer Anlage gleichsam nicht das Erfordernis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung – unabhängig von der Frage der Vorprüfung -, sondern werden einzig am Verschlechterungsverbot gemessen. Das heißt, es muss gewährleistet sein, dass kein Eingriff zugelassen wird, der die ökologischen Merkmale eines nunmehr gemeldeten Gebiets ernsthaft beeinträchtigen könnte (EuGH, Urt. V. 14.09.2006 – C – 244/05, Sig. I 2006, I-8459). Dies gilt auch, wenn sich die Änderung der bestandsgeschützten Anlage aus verfahrenstechnischen Gründen als Neugenehmigung darstellt.
Erhebliche Beeinträchtigungen nach § 34 Abs. 1 BNatSchG sind zu verneinen, wenn ein günstiger Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleibt, ein bestehender schlechter Erhaltungszustand aber jedenfalls nicht weiter verschlechtert wird (BVerwG, Urt. v. 21.01.2016 – 4 A 5/14).
Die Zulassung des Vorhabens „Umnutzung einer Rinderhaltungsanlage in eine Hähnchenmastanlage am Standort Golzow“ wirkt sich demzufolge positiv auf die Gesamtbelastung und damit auf den Erhaltungszustand des Gebietes aus, da mit der Neuerrichtung der geplanten Hähnchenmastanlage ein vermindertes lmmissionspotential einhergeht. Auf die Verbesserung der Situation zu verzichten und die Anlage nicht zuzulassen, würde dem Ziel der FFH-RL und dem europäischen Umweltschutz widersprechen.
Maßgeblich ist allein, dass im Hinblick auf die bestehende Vorbelastung keine Verschlechterung der lmmissionslage hervorgerufen wird. Zu dieser Vorbelastung zählt- wie gesehen – die vor Unterschutzstellung bereits verwirklichte Anlage. Diese gehört zur Ausgangsgröße bei der Ermittlung der Frage, ob eine Verschlechterung eintritt oder nicht. Dafür ist es unerheblich, ob eine Änderung der Anlage oder eine „Neuerrichtung“ durchgeführt wird. Die Vorbelastung ist stets in Ansatz zu bringen.
Die Zulässigkeit einer Verbesserung durch Zulassung einer Anlage ist demnach gerade nicht von der verfahrensrechtlichen Einordnung abhängig. Demgemäß spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Änderung der Anlage oder um eine Neuerrichtung handelt. Der Ansatz der Verbesserung der Immissionssituation kommt gleichermaßen zur Anwendung.
Eindeutig ist die (fehlerhafte – siehe OVG-Bescheid) Verneinung der Notwendigkeit einer UVP in der Voruntersuchung von diesem Konstrukt einer „bestandsgeschützten und betriebenen RHA“ abhängig. Erst mit der Feststellung eines „Scheinbetriebes“ (nicht durch Ihre „Kontrolle“ im Juni 2019, sondern erst durch das OVG!) fällt auch diese Argumentation.
In dem Zusammenhang ein bereits des Öfteren gegebener Hinweis: Mitnichten gibt es in 15328 Golzow auf besagtem Gelände eine „eigenständige Fahrsiloanlage“ – sie ist m. W. als Bestandteil der stillgelegten RHA genehmigt worden – und schon gar nicht eine „bestandsgeschützte und auch weiterhin betriebene (Jung)Rinderanlage“. Die Kälberaufzucht war ebenso Bestandteil der Milchviehanlage und ist mit ihr eingestellt worden – ich nehme an, Sie wissen auch das. Aber positiv ausfallende Kontrollen von Scheinbetrieben scheint eine Spezialität zu sein.
Zu 3.4 – Abstandsberechnung
Abgesehen davon, dass im gerichtlichen Verfahren unwidersprochen ein Abstand von ca. 260m zwischen nächstem Emissionsort und Wohnhaus im Innenbereich der Ortschaft angenommen wurde, ist Ihre Argumentation zu den errechneten 275m fehlerhaft. Ob die um 7 Tage längere Mastdauer der sog. Fairmast“ (mit einem auch um 7 Tage stärker emitierenden Kotanfall) „wesentlich“ von einer in den Tabellen enthaltenen Vorgaben abweicht und so ein „eigenes Referat in dem LfU“ (Herr Berger während des EÖT), eingerichtet werden konnte/musste, sei dahingestellt. Der Knackpunkt ist, dass der Mäster auch nach Ihrer Genehmigung sich nicht an diese Kriterien des TSB (die er in wesentlichen Punkten selbst lt. Antrag verletzt) halten muß: Sie berechnen nach Fantasiezahlen einen geringeren Abstand und im Betrieb gelten die diese Werte begründenden Kriterien dann nicht. Das nenne ich Täuschung der Öffentlichkeit!
Übrigens: Ihre Bemerkungen zum „Emissionsschwerpunkt“ einer Anlage sind irreführend, weil dieser zur Festlegung des Beurteilungsgebietes, nicht zur Abstandsrechnung dient. Anders wäre es ja möglich, einen Stall direkt am Nachbarzaun zu errichten, wenn nur der zweite weit genug entfernt wäre.
Zu 3.5 BVT
Sie schreiben am 28.5.2021: „Die verbindliche Errichtung von Abluftreinigungseinrichtungen bei Mastgeflügelanlagen entspricht gegenwärtig noch nicht dem Stand der Technik.“ Dass trotz der Verpflichtung Deutschlands, den gewiss auch Ihnen bekannten EU-Kommissionsbeschuss von Februar 2017 spätestens nach 4 Jahren im Land zu realisieren. Und – auch das sollte Ihnen bekannt sein – das ARE in Niedersachsen seit 2013(!) für solche Anlagen verbindlich vorgeschrieben sind! Kein Stand der Technik? In Ostbrandenburg immer noch nicht – dank Mitarbeitern in Umweltbehörden, die auch das letzte Schlupfloch für solche Genehmigungen in vorauseilendem Gehorsam (gegenüber wem eigentlich?) suchen. Es gibt das geflügelte Wort von Steueroasen – Ostbrandenburg bildet unter Ihrer Aufsicht eine Genehmigungsoase für aus den Niederlanden und Westdeutschland abwandernde Mega-Mäster ohne Umweltbewußtsein. Weiter schreiben Sie: „Im Übrigen weise ich darauf hin, dass der Fortbestand der Genehmigung für die Hähnchenmastanlage vom 27.08.2019 einer späteren Forderung zur Nachrüstung mit einer Abluftreinigungseinrichtung nicht kategorisch entgegengestanden hätte.“ Das, sehr geehrte Frau Wolter, glauben Sie selbst nicht: Dass Sie eine Nachrüstung bei der dezentral über je 6 Kamine pro Stall geplanten Abluftführung durchgesetzt hätten. Das wäre dann unter„nicht wirtschaftlich vertretbar“ erledigt worden.
Kurzum: Sollten wir die genannten Selbstverständlichkeiten im Umwelt- und Gesundheitsschutz – u.a. auch EU-Kommissionsbeschlüsse – auch das nächste Mal erst vor den Gerichten gegen Sie durchsetzen müssen, werden wir das tun.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. P. Tiedke
P. Tiedke
Sprecher der Bürgerinitiative Golzow